Berlin gegen Tierversuche dankt Stefan Taschner (Grüne) für seine Anfrage zu Tierversuchskontrollen in den Jahren 2018 und 2019.
Schon länger setzen wir uns dafür ein, dass das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) jährlich und von sich aus berichtet, welche Kontrollen wo durchgeführt wurden und was
dabei herausgekommen ist. Um Vertrauen in funktionierende Kontrollstrukturen aufzubauen, halten wir diese Transparenz für unabdingbar.
Was haben die Kontrollen nun ergeben:
-> Viele Labore ganz ohne Kontrollen
2018 wurden 57 Kontrollen, 2019 immerhin 72 Kontrollen durchgeführt. 2018 wurden insgesamt nur 9 Einrichtungen kontrolliert, 2019 waren es 10. Große Institute wie die Charité sind mit 23 (d.h.
fast der Hälfte) bzw. 21 (d.h. knapp einem Drittel) der Kontrollen vertreten. Selbstverständlich ist es sinnvoll, die Anzahl der Kontrollen von der Menge der Tiere und der Art der Versuche
abhängig zu machen, die in einer Einrichtung gehalten bzw. zu Tierversuchen eingesetzt werden. Das heisst im Umkehrschluss allerdings auch, dass bei ca. 99 Tierversuchslaboren insgesamt viele,
viele Institute so gut wie nie kontrolliert werden.
Fazit: Aus unserer Sicht kommt das Lageso damit in der Breite seiner Kontrollfunktion nicht ausreichend nach. Alle Labore müssen abhängig von der Anzahl der gehaltenen Tiere und
der Art der Versuche regelmäßig kontrolliert werden, mindestens aber einmal pro Jahr.
-> Neueingestellte Kontrolleur*innen sorgen kaum für zusätzliche Kontrollen
Berlin gegen Tierversuche hat ausdrücklich die Aufstockung der Kontrollkapazitäten beim Lageso durch den aktuellen Senat begrüßt. Leider können wir aber nicht erkennen, dass sich diese
Aufstockung in einer angemessenen Steigerung der Kontrollhandlungen niederschlägt.
Für eine Stadt, in der knapp 10 % aller deutschen Tierversuche durchgeführt werden, ist eine Personalausstattung, die nur die Kontrolle von 10 von 99 Tierversuchslaboren im Jahr 2019 ermöglicht,
offensichtlich immer noch unverhältnismäßig. Entweder müssen die zur Verfügung stehenden Kontrolleur*innen von anderen Arbeiten entlastet werden oder es müssen schlichtweg deutlich mehr
Kontrolleur*innen her, um eine auch nur annähernd ausreichende Kontrollfunktion zu gewährleisten.
Fazit: Aus unserer Sicht muss das Lageso dringend erklären, warum trotz aufgestocktem Personal so wenig Kontrollen durchgeführt werden. Mit dieser Personaldecke können die
minimalen Rechte der Versuchstiere nicht flächendeckend durchgesetzt werden.
-> Paradiesische Zustände?
2018 wurden bei den Kontrollen lediglich acht Beanstandungen (bei den Tierarten Pferd, Schwein, „Fisch“, Spitzmaus, Fledermaus, Maus, Ratte) ausgesprochen. 2019 wurden 11 Beanstandungen (bei den
Tierarten Pferd, Hund, Schwein, Ratte, Maus, Spitzmaus) ausgesprochen. Klingt erstmal gut. Wenn es aber bei ca. 15% der Kontrollen zu Beanstandungen kommt, zeigt das auch, dass die
institutsinternen Kontrollfunktionen wie z.B. gesetzlich vorgeschriebene Tierschutzbeauftragte in den Versuchslaboren auf breiter Front versagen. Ohne regelmäßige und scharfe Kontrollen durch das
Lageso funktioniert es einfach nicht. Und wir sprechen bei den beanstandeten Instituten nicht von düsteren Hinterhoflaboren, wie sprechen hier von Vorzeigeinstituten der deutschen Wissenschaft
und Forschung wie der Charité.
Fazit: Mehr und schärfere Kontrollen sind das einzige Mittel, um die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen, von alleine sind die Einrichtungen dazu ganz offensichtlich nicht in der
Lage. Wäre interessant zu sehen, wie viele Beanstandungen es plötzlich geben würde, wenn unabhängige Kontrolleur*innen wie von der SOKO Tierschutz auch mal die Berliner Institute prüfen würden. Beim Hamburger LPT hat das zu interessanten Effekten geführt.
"Berlin gegen Tierversuche" wird auch weiterhin intensiv beobachten, wie das Lageso seiner Kontrollfunktion nachkommt. Solange es in ca. 15% der Kontrollen zu Beanstandungen kommt, besteht hier dringender Handlungsbedarf. Es geht um lebende, empfindungsfähige Tiere. Es kann nicht sein, dass parkende Autos öfter überprüft werden, als Lebewesen, die zu oftmals brutalen Tierversuchen herangezogen werden. Solange die Gesellschaft sich noch auf dieses blutige Geschäft einlässt, anstatt schnell und entschieden auf die viel besseren tierleidsfreien Methoden umzuschwenken, sind häufige, unangemeldete und scharfe Kontrollen aller Labore das mindeste, was wir diesen Tieren schulden.“ so Marc Schlösser, Sprecher von Berlin gegen Tierversuche.